Mittwoch, 18. Mai 2016

Kindergartenausflug nach Bingen am Rhein

Kennt Ihr das?
Manchmal möchte man gerne Mäuschen spielen und die lieben Kleinen beobachten in ihrem Alltag ohne uns.

Da Jolina nichts erzählen kann von ihrem Tag im Kindergarten fällt das nochmal schwerer, nicht dass Louisa mir jetzt viel erzählt hätte. "Wie war es heute?" "Gut!" mehr bekam ich da auch nicht zu hören, aber ich war einfach näher dran, beim hinbringen und abholen konnte ich immer ein Blick auf mein Kind werfen, das fehlt bei Jolina komplett.

Jetzt hatte ich aber die großartige Gelegenheit Jolina bei ihrem Kindergartenausflug mit den Vorschulkindern nach Bingen zu begleiten.

Und ich habe wieder viel über mein Kind gelernt und ein weiterer Stein, mit Beschriftung Schulzeit, rollte von meinem Herzen.




Meine erste Angst war schon, dass Jolina den Fußweg vom Kindergarten bis zum Bahnhof nicht schaffen würde. Läuft sie doch mit uns sehr ungerne, auch wenn wir tolle Sachen machen, wie Zoo, oder durch den Wald stromern.

Aber an der Hand eines anderen Mädchen hatte sie Spaß und lief ohne zicken, mucken, oder dem Versuch sich loszureißen.

Also erste Hürde geschafft und ich konnte schon viel entspannter in den Zug steigen.



Gebucht war ein Programm beim "Grünen Klassenzimmer" im Park am Mäuseturm.
Genau 4 Jahre vorher war ich auch als Begleitperson von Louisas Vorschulgruppe mit im Grünen Klassenzimmer und war damals schon total begeistert.

Praktischer als mit dem Zug kann man den 10ha großen Park direkt am Rhein kaum erreichen, der Binger Hauptbahnhof (Ja, Bingen hat tatsächlich 2 Bahnhöfe ;-) ) liegt direkt am Park.

Wer mit dem Zug (auch ICE) zB von Köln nach Frankfurt fährt kann einen Blick auf den Park werfen.



Als erstes war Frühstück angesagt. Ich versuchte mich immer etwas im Hintergrund zu halten. Schließlich war es ein Ausflug mit dem Kiga und nicht mit der Mama.
So konnte ich auch sehen wo Jolina Hilfe braucht.
Wie auch mit uns zusammen braucht sie Hilfe bei der Trinkflasche, obwohl sie Mineralwasserflaschen aufdrehen kann, ist es für sie bei der Siggflasche noch schwierig.
Trotzdem schwöre ich auf diese Flaschen, denn sie sind einfach immer dicht und laufen nicht aus.


Der Park am Mäuseturm zeigt sich schon in voller Blüte. Und ist immer noch so schön wie bei der Gartenschau 2008, wo Bingen sich endlich fein gemacht hat und man sich nicht mehr schämen musste wenn Touristen mit den Schiffen anlegten.




Die Führerin des grünen Klassenzimmers holte uns dann beim Frühstück ab und lud ein den Park mit all unseren Sinnen zu entdecken.

Jolina war natürlich mit den Ausführungen total überfordert und konnte auch nicht mit aufzählen welche Sinne man denn hat, oder was man über Bäume, oder Tiere weiß.

Diesen Anspruch habe ich gar nicht, das wird irgendwann kommen, doch noch nicht jetzt. Jolina klinkte sich dann gedanklich zwar aus, wie ich beobachten konnte, doch trotzdem blieb sie bei der Gruppe und verhielt sich still und störte nicht.

Vielleicht nahm sie ja trotzdem etwas für sich mit, wer kann das sagen.



Das ist Inklusion und genau das ist es was wir uns vorerst für Jolina wünschen.
Viele verstehen den Inklusionsgedanken falsch. Sie denken Jolina müsse mit den anderen mit halten können und sagen dann, dass dieser Ausflug doch gar nichts für sie wäre.
Natürlich hat Jolina diesen Ausflug genossen, vor allem die Zugfahrt hat sie sehr beeindruckt.
Sie stand mit am Rhein und schaute aufs Wasser und fand das toll, auch wenn sie den Ausführungen über bestimmte Vögel nicht folgen konnte, doch wer sagt denn, das alle Vorschulkinder es verstanden haben?


Jolina sucht sich ihre eigenen Herausforderungen und während die anderen nach Kirschkernen am Boden suchen um einen Baum bestimmen zu können findet Jolina einen Stock und stochert auf der Erde herum.



Und sie findet auch Kinder die es ihr dann nach tun.
Ich fand dieses Bild so wunderschön innig.

Wobei ich natürlich ganz viele Bilder des Tages nicht zeigen kann, denn es ist für mich tabu Kinder und Menschen bei nicht öffentlichen Veranstaltungen erkennbar zu zeigen.
Trotzdem versuche ich mit den Bildern zu zeigen, dass Jolina nicht nur nebenher lief sondern mittendrin war. Zwar auf ihre Art und Weise, aber glücklich und zufrieden.



Die erste Situation die typisch Jolina war, war als sie unbedingt zu den Gänsefamilien im Park rennen wollte, was erstens den Kindern untersagt war und zusätzlich auch nicht ungefährlich ist. Ich wollte keinen Streit mit Gänseeltern haben, aaahhhh.

Irgendwann reagierte sie auf die Stop-Rufe, nur eben verzögert.
Das sind Dinge die mich nerven, aber ich müsste es besser wissen, Jolina reagiert viel langsamer. Doch es gibt eben Momente da sollte man sofort auf Stop reagieren, zB im Straßenverkehr, da haben wir noch eine Baustelle. Denn das sind Dinge die können lebenswichtig sein.


Im Hintergrund immer der romantische Rhein mit seinen Burgen und den steilen Weinlagen. Ich kann schon verstehen warum die Dichter sich damals überschlagen haben.
Ich weiß es zu schätzen da zu wohnen wo andere Urlaub machen, ich liebe mein Nahetal und den Rhein.
Die Nahe fließt übrigens genau dort am Park in den Rhein. Nur ca. 10 km von unserem Heimatdorf weg.


Die Strecke durch den Park ist schon ein Stück zu laufen, aber gemeinsam und mit kleinen Pausen schafften die Kinder das gut.
Die Vorschulgruppe trifft sich ja jeden Donnerstag und geht ab und zu in den Stadtwald. Leider ist Jolina dann immer im PEp und bei den Aktionen nicht dabei.


An der Nikolaus Eiche testeten sie, wie viele Kinder nötig sind um den Stamm zu umfassen, meist waren es 4 Kinder.




Natürlich waren wir auch am Mäuseturm, schließlich gibt er ja dem Park den Namen.
Dieser Turm fasziniert mich schon seit frühester Kindheit. Meine Mutter hatte ein altes Sagenbuch und darin stand auch die Sage vom Binger Mäuseturm. Die hat sich bis heute in mein Hirn eingebrannt. Ich erinnere mich an meinen eigenen Kindergartenausflug an den Rhein vor über 40 Jahren *hüstel* und wir machten eine Schifffahrt. Damals wurde der Turm gerade gestrichen und ich fragte meine Mutter, ob wohl die Maler auf die Knochen von dem bösen Mann gestoßen wären, ich war als Kind total verängstigt von dieser Sage und ich bin noch mit Märchen aufgewachsen, die ich aber harmlos fand, da zu unrealistisch. Doch die Geschichte des grausamen Bischof Hatto der von den Mäusen im Turm bei lebendigem Leib abgenagt wurde, hörte sich an als sei sie passiert und möglich. Wie das bei Sagen ja immer so ist, ein Teil Wahrheit, ein teil wahrscheinlich erfunden.


Als dann die Führerin den Kindern die Sage erzählte konnte ich es kaum glauben. Ich bin da ja nicht so zart und erzähle meinen Kindern auch Märchen. Doch jetzt ist das heute ja total out bei den Eltern und dann kommt die Dame mit dieser Sage bei Kindergartenkindern um die Ecke, muss schon sagen mutig.


Zum Abschluss der Führung gab es noch eine Runde in der es erneut um die Sinne ging. Jolina lag auf dem Boden und hatte sich total ausgeklinkt. Das tat natürlich ein bisschen weh das zu sehen, doch sie störte die Runde nicht und man sah, es war an diesem Punkt zu viel für sie und sie wollte gar nicht versuchen Teil dieser Runde zu sein, nur dabei zu sein das war ihr wichtig.

Leider konnte sie bei dem Schulkindlied der Gruppe auch nicht mitsingen, da sie ja nie in der Gruppe dabei ist, doch dies sind Dinge die der Mutter näher gehen als dem Kind, daher eigentlich okay.
Schlucken, durchatmen, weiter geht es.


Wir ließen den Turm hinter uns und machten uns auf den Weg zum Pommes essen. Leider waren die Lokale im Park gerade noch nicht offen, so durften die Kinder im NH-Hotel auf der Terrasse essen, cool.

Da der Spielplatz im Park am Mäuseturm wegen Renovierung gesperrt war, machten wir uns auf den Weg zum "Rheinkahn" ein Spielplatz ein Stück den Rhein hinauf der auch im Rahmen der Gartenschau entstanden ist.

Jolina war weiter mit dabei und hielt durch, zwar musste ihre Partnerin öfter mal ein bisschen ziehen, aber es war wirklich ein Aha-Erlebnis für mich.
Hatte mich die Schulärztin bei der letzten Untersuchung gefragt wie weit könne Jolina laufen. Ich sagte, dass ich das nicht wüsste. Sie bohrte weiter: "1 km? 5km? weniger? mehr?"
Wer misst schon seine strecken ab? Wir nicht. Sie schrieb dann 1 km in ihren Bericht.
Da eine der Erzieherinnen einen Schrittzähler dabei hatte weiß ich jetzt, dass Jolina bis zu diesem punkt schon über 7km hinter sich hatte. Respekt.




Auf dem Spielplatz bekamen die Kinder erklärt, dass sie nicht auf den Teil gehen dürfen, der Wasserspielplatz ist und es hat super geklappt. Tolle Kinder.


Genau gegenüber des Spielplatzes ist das Niederwalddenkmal mit der Germania am anderen Rheinufer. Das Denkmal ist so groß, dass wir es sogar von unserem Küchenfenster in unserer 1. Bretzenheimer Wohnung sehen konnten.

Mit Louisa haben wir einen Ausflug dort hoch gemacht als sie 2 Jahre alt war, Jolina war aber noch nicht oben. Inzwischen traue ich ihr aber die Seilbahnfahrt in der offenen Gondel zu, müssen wir mal unbedingt in Angriff nehmen.






Jolina spielte meist alleine, oder im inneren im Sand.
Bei der Seilbahn fuhr sie zuerst mit und traute sich dann später auch alleine hinein, sie hatte sich abgeschaut wie man an der Kette ziehen muss, schaffte aber nur den ersten halben Meter und kam dann nicht weiter und rief um Hilfe. Trotzdem ist es eine ihrer Stärken, dass sie sich etwas bei anderen abschaut und dafür braucht sie einfach Vorbilder und auch das ist ein Vorteil von Inklusion.
Jeder kann von jedem lernen, denn auch Jolina hat ihre Stärken von denen andere profitieren, man muss es nur zulassen.



Am Ende war Jolina schmutzig, glücklich und sehr müde.
Auch die anderen Kinder sahen sehr geschafft aus nach diesem langen Tag.
Übrigens gestehe ich Euch: "Ich war fertig wie ne rolle Drops!" War wohl viel zu viel frische Luft für mich, haha.



Der weg zurück zum Bahnhof zog sich nochmal ungemütlich in die Länge und ich hatte Jolina an der einen Hand und ihre Gruppenpartnerin an der anderen. Ein bisschen ziehen musste ich die beiden schon und aufmuntern. Die Sonne hat übrigens den ganzen Tag extra für uns geschienen und es war ganz schön warm.


Praktisch wenn die Züge so oft fahren, so konnten wir uns wieder direkt in den zug setzen und es ging schon bald los. Die Kinder waren aufgeregt und glücklich, so ein genialer Tag, alles hatte geklappt bei bestem Wetter und fröhlicher Stimmung.

Mein Auto hatte ich schon morgens am Bahnhof geparkt und so konnte ich gleich mit Jolina heim fahren, die schon fast beim ausparken fest eingeschlafen war.


4 Kommentare:

  1. so ein toller bericht und hier sehe ich, dass mein rhein doch etwas mehr kann als die spree. die fotos wirken so ruhig. wenn ich an berlin denke wird es direkt laut in meinem kopf.

    danke für die kurze pause :-)

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  2. wow, ein richtig schöner und gelungener Ausflug. Danke für deinen Bericht und die schönen Fotos. Jolina macht das toll, so schön dass du und wir alle mal so einen speziellen Einblick bekommen haben :).

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  3. Sehr ehrlich geschrieben,
    ......Toller Bericht...Daumen hoch....

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  4. Toller Einblick !! Das ist genau was ich auch als Inklusion verstehe!! Ich hoffe das es bei uns auch so möglich ist wenn wir soweit sind das Mia in die Schule kommt. Aber so wie es bei uns läuft sehe ich das leider noch nicht so!! Aber zum Glück haben wir noch Zeit! Ich hoffe bis es so weit ist sind sie hier auch weiter. Liebe Grüße Dana

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